Donnerstag, 4. September 2008
Wollt Ihr die totale Erniedrigung?
Ein anderes unserer Lieblingsthemen ist die "Zumutbarkeit". Sie spielt ja schon bei den 1-Euro-Jobs eine grosse Rolle, ist aber auch für sich gesehen ein interessantes Thema. Ausgehend von der (falschen) Annahme, dass es genug bezahlte Arbeit in Deutschland gibt und der Hartz-IV-Bezug nur einen vorübergehenden Zustand darstellt, soll jeder Arbeitslose jede Arbeit annehmen, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Ist ja nur vorübergehend! Jede bezahlte oder unbezahlte Arbeit ist zumutbar. Egal, was Sie vorher gemacht haben oder welche Ausbildung Sie haben. Gehen Sie putzen, gehen Sie Briefe stempeln! Dabei widerspricht diese Politik allen wissenschaftlichen Erkenntnissen von Gewerkschaften, Arbeitssoziologen und Psychologen. Die Arbeitsproduktivität steigt, wenn Arbeitnehmer motiviert sind. Arbeitnehmer sind motiviert, wenn sie eine Arbeit gerne ausführen, wenn eine Arbeit ihrem Qualifikationsprofil und ihren Stärken entspricht und im besten Fall Spass macht.
Eine Arbeit, die einen Arbeitnehmer über- oder unterfordert und die über einen längeren Zeitraum (mindestens 6 Monate - 1 Jahr) ausgeführt werden muss, gehört zu den anerkannten Mobbing-Tatsachen (vgl. z. B. Heinz Leymann, Kategorie: Angriffe auf Qualität und Perspektiven der Arbeit) und wirkt sich nicht nur demotivierend, sondern auch zerstörend auf das Selbstwertgefühl eines Menschens aus. Die französische Viktomologin Marie-France Hirigoyen schreibt: "Schikanieren. Dies besteht darin, daß man das Opfer mit nutzlosen oder entwürdigen Aufgaben betraut. So mußte zum Beispiel Sonia, Inhaberin eines Universitätsdiploms, sich damit abfinden, in einem winzigen, ungelüfteten Raum Briefumschläge zu kleben." Arbeit ist alles?

N. B.: im Niedriglohnsektor herrscht keine Arbeitslosigkeit?

Literatur: Hirigoyen, Marie-France: Die Masken der Niedertracht. Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann. München 2002.

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